Gute 40 Jahre lang war London unser Zuhause – bis BREXIT alles durcheinander brachte und uns einen neuen Fokus abverlangte auf unserer Suche nach einer neuen Heimat für den nächsten Lebensabschnitt als reiselustige “Pensionäre”. Reisen haben uns seit jeher inspiriert, erfreut und motiviert und glücklicherweise führten uns unsere Karrieren in viele Länder – mich als Schmuckdesignerin und im Teleshopping aktiv und Digby mit seiner TV & Media Werbeagentur im Herzen Londons. So lockte uns vor einigen Jahren das vielgepriesene Finanzparadies Panama– inklusive eines Abstechers auf die Perleninseln (ja, wie idyllisch klingt denn das) – entlang der Panamericana Richtung Costa Rica; das Garden Inn in Boquete in der bergigen Kaffeeprovinz Chiriqui ist einen Aufenthalt wert. Allerdings merkten wir rasch, daß Zentralamerika als ‘Altersruhesitz’ für uns nicht in Frage kam und auch, daß mein bisheriges Talent für Fremdsprachen bei spanisch offensichtlich versickert war. Eine zeitlang erschien uns Kanada ideal (ein englischsprachiges Land – hurra). Wir waren jedes Quartal bei The Shopping Channel in Toronto auf Sendung und die angehängten Urlaubstage in Nova Scotia gefielen uns sehr mit dem maritimen Charme von Lunenburg (nettes Folk Music Festival im August) und Mahone Bay. Allerdings ist es für Inhaber von EU Pässen nicht ganz so einfach, länger als sechs Monate pro Jahr dort legal zu verbringen. Also, aus der Traum vom gemütlichen Cottage an der Küste. Na, Österreich dann vielleicht? Bergluft macht (auch) frei – und ist prima zum Wandern, Rodeln, Skilaufen und wenn man die Berge liebt. Allerdings wären wir in der schönen Alpenrepublik trotz meiner Sprachkenntnisse wohl für immer Zugezogene. Das urige Filzmoos ist und bleibt jedoch ganz oben auf unserer jährlichen Reiseroute. Das gleiche können wir von Frankreich sagen. Fasziniert von der Geschichte und Schönheit der Landschaften Périgords, des romantischen Loiretals und vieler anderer Regionen, die wir über die Jahre hinweg oft und gerne besucht haben – ja, wer würde da nicht gern länger bleiben, nicht zu vergessen die vielen himmlischen Käsesorten und wir haben französische Freunde in Bergerac – aber die hohen Nebenkosten beim Hauskauf und die Aussicht, sich meist mit anderen “Ex-Pats” auf dem wöchentlichen Markttag als Hauptkontaktquelle auszutauschen, erschien uns wenig erstrebenswert. Auf einen Fingerzeig der Zeitschrift International Living, die wir seit Jahren abonniert haben, versuchten wir unser Glück in Uruguay. Wir hatten Freiflüge nach Buenos Aires und von dort ging es mit dem “Buquebus” – einer großen Fähre - ins benachbarte Uruguay. Oldtimer wie diese sieht man in Uruguay überall; manchmal als trendige Mini-Cafés in malerischen Städtchen wie Colonia del Sacramento. Einziger Wermutstropfen: Ohne spanisch kommt man nicht aus. Dios mio und ein hoffnungsloser Fall para mi. Nun, Florida mit seinen milden Wintern ist auch nicht schlecht (Golf, Segeln, lange Sandstrände). Aber, genau wie Kanada, ist es in den USA nur schwer möglich, eine Aufenthaltsgenehmigung für länger als sechs Monate zu bekommen. Die Fabrik, die fast 20 Jahre lang meine Modeschmuck Kollektionen fertigte, liegt am Rande von Bangkok, somit gab es regelmäßige Trips nach Thailand und vor ein paar Jahren schauten wir uns dann einige Apartments an in den flink aus dem Boden schießenden Hochhäusern von Sukhumvit. Digby und ich mögen beide Fisch und pikantes Essen wie all das fantastische Obst, welches das ‘Land des Lächelns’ so großzügig bereithält. Dennoch, man kann sein neues Leben ja nicht auf seinen kulinarischen Vorlieben aufbauen. Südtirol mit seinen historischen Ortschaften, großartiger Bergwelt und italienischem Flair hat ebenfalls einiges für sich! Aber – wie schon zuvor – Urlaub ist Urlaub… und wenn man sich integrieren möchte sollte man, unserer Meinung nach, im Stande sein, sich einzubringen in die neue Gemeinschaft und so ging die Suche weiter. Nachdem wir die meiste Zeit unseres Lebens glücklich in London gelebt hatten, saß uns nun BREXIT etwas im Nacken, ein neues Zuhause zu finden. Portugal und Kroatien sind lukrative Optionen, aber wir entschieden uns aufgrund ihrer geographischen Lage dagegen. Es sollte eher Mitteleuropa sein… Über ein Jahr suchten wir [vergeblich], nach einem schicken Einfamilienhaus in Deutschland (wo Nebenkosten und die obligatorische Grunderwerbssteuer leider nicht unerheblich sind) bis wir dann fast zufällig auf die Webseite funda.nl stießen. Welch wunderbarer Umstand – durch ein einziges Klick verwandelt sich das reiche Angebot von holländisch in die englische Sprache. In Deutschland ist die Abwicklung manchmal recht langwierig (ohne eine Widerrufserklärung ausgefüllt zu haben bekommt man kein Exposé vom Makler – und teils geschieht das per Post und ohne Angabe der Adresse der Immobilie). Bei funda wird der Interessent sofort fachgerecht und komplett ins Bild gesetzt: Genaue Anschrift, Street View, Grundrisse und ein Auszug vom Katasteramt erscheinen per Tastendruck – wie auch die Info, wo der nächste Supermarkt/Krankenhaus/ Schule/Bushaltestelle zu finden sind. Praktisch und zeitsparend! Google Maps war gleichermaßen nützlich für uns. Im Gegensatz zu merklich höheren Hauspreisen in Großbritannien, Frankreich, Deutschland und Österreich, bieten die Niederlande auch attraktive Häuser mit modernem “Innenleben” inklusive Einbauküchen (was in Deutschland und Österreich oftmals nicht der Fall ist). Im Januar dieses Jahr entschieden wir uns für ein Apartment in einem restaurierten, ehemaligen Kloster [jetzt rijksmonument] im Limburgerland ca. 50km nördlich von Maastricht. Der Flughafen Düsseldorf ist nur 40 Autominuten entfernt und jeder, mit dem wir in ein Gespräch verwickelt sind, findet BREXIT genauso schrecklich wie wir und spricht gut & gerne englisch mit uns (was nicht immer gegeben war in Deutschland, Österreich, Frankreich oder Italien und Spanien). Die Mehrheit der niederländischen Bevölkerung (93%) spricht fließend englisch, was ein sehr wichtiger Punkt für uns war – obwohl wir uns vorgenommen haben, holländisch zu lernen. Da dies natürlich ein Riesenschritt für uns war – von der Weltstadt London in ein beschauliches, kleines Kloosterdorp an der Maas umzuziehen – räumte uns der verständnisvolle Developer die Möglichkeit ein, einige Tage ‘Test-zu-wohnen’. Gratis! Nun, wo kann man das erwarten? Dieses eindrucksvolle historische Gebäude hat 16 Eigentumswohnungen und jede davon ist unterschiedlich in Design, Größe und Layout. Unser zukünftiges Wohnzimmer beispielsweise ist die ehemalige Sakristei (sehr passend, da ich ja ein Faible für Mode habe). Das Kloster befindet sich in einem privaten Park von ca. 6ha. Während der Hochblüte gab es hier vier Klöster – eine direkte Reaktion auf Bismarcks Kulturkampf. Eines davon beherbergte die Weißen Nonnen, ein anderes die Rosa Nonnen und Schwarze und Blaue Nonnen gibt es auch – die Namen kommen von der Farbe der Ordensgewänder. Das Missiemuseum mit seiner Ausstellung exotischer ausgestopfter Tiere führt uns in die Welt der ersten Missionare und ihrer Abenteuer und ist besonders in den heißen Sommermonaten ein populäres Ausflugsziel für Touristen. Was für uns den Ausschlag gab, war allerdings die Freundlichkeit unserer neuen ‘klösterlichen’ Nachbarn, die uns herzlich zu “koffie” und langen Gesprächen zu sich einluden bei großzügigen Kuchenstücken wie der lokalen Spezialität rijstevlaai (mit dicker, cremiger Milchreis Füllung) die für Menschen wie mich, die nicht Jahre in britischen Internaten verbringen mußten, einfach unwiderstehlich sind! So fanden wir am Abend des 23. Dezember einen Weihnachtsbaum vor unserer Tür (von einem lieben zukünftigen Nachbarn), als wir vor Vertragsunterzeichnung zwei Wochen zwischen Weihnachten und Neujahr in “unserer” Wohnung verbrachten. Es gab keinen einzigen Moment, wo wir uns alleine, ‘ignoriert’ oder gar vernachlässigt gefühlt hätten. Ganz im Gegenteil: Die Niederländer sind definitiv gezellig – d.h. sie genießen die Gesellschaft anderer – auch “Fremder”. Es wurde uns schnell deutlich, warum die Niederlande seit Jahren einen Stammplatz ganz oben im World Happiness Index haben (2019 erneut auf 5. Platz; Großbritannien und Deutschland befinden sich zur Zeit auf den Plätzen 17 und 19). Britischen Statistiken zufolge haben die Holländer eine kürzere Arbeitszeit, verdienen aber mehr. Sie scheinen auch gesünder zu sein – und schlanker; fahrradfahren zahlt sich halt aus. Wir stellten zudem fest, daß die Niederländer ihre Kinder ‘an der langen Leine’ und so zu mehr Selbstständigkeit erziehen als das meistens in Großbritannien gehandhabt wird, was mit Sicherheit dazu führt, daß sie sich mehr zutrauen und zu selbstbewußteren Erdenbürgern heranwachsen. Diesel kostet weniger als im benachbarten Deutschland (ein Plus für uns im Hinblick auf Mister Benz). Obst und Gemüse sind frisch und wesentlich preiswerter als in London und Supermärkte und viele Geschäfte sind sonntags geöffnet. Die großen Gewächshäuser auf der anderen Seite des Flusses (un’sicht’bar von unserem Park) lassen den nächtlichen Himmel nordlichtähnlich violet-rosa-orange erstrahlen, was wir Anfangs leicht naiv als Aussicht auf schönes Wetter am kommenden Tag deuteten, bis ein Nachbar uns milde lächelnd aufklärte… Es mag wie eine sehr klischeehafte Erklärung klingen, aber wir fanden die Niederländer ‘easy-going’, liberal eingestellt und mit einer großen Portion gesunden Menschenverstand, höflich, fröhlich, gut informiert und fitter als andere Europäer mit sitzenderer Lebensweise – fietsen (fahrradfahren) ist eine wahre Leidenschaft! Der Durchschnitts-Holländer radelt jährlich über 900 Kilometer. Und das hier bin ich (nachdem ich meine so oft perplexen Eltern fragte, ob man mit fahrradfahren Geld verdiene könne – eine Aktivität, die mir damals schon viel Spaß machte): Unsere regelmäßigen, kurzen Fährtrips über die Maas sind ebenfalls etwas Erfreuliches; die netten Fährmänner wechseln jedesmal gern ein paar Worte mit uns. Dieser kostengünstige Service kann täglich für 12 Stunden in Anspruch genommen werden und die Fähre geht sogar, wenn nur ein, zwei Fuß-Passagiere am Ufer warten. Auf der anderen Seite der Maas befindet sich ein Kasteelendorp; ein hübscher kleiner Ort mit vier Schlössern, von denen eins weiterhin im Privatbesitz ist (mit Wassergraben und Zugbrücke) und ein anderes wird seit Jahren als smarte Kunstgalerie genutzt). Mittelalterliche Geschichte interessiert uns beide und die Tatsache, daß drei dieser historischen Bauten ihren Ursprung im 13. Jahrhundert haben, fanden wir beeindruckend. Ärcheologische Funde belegen eine frühe Besiedlung dieser Gegend bis zur Stein- und Eisenzeit; ein Bronze Eimer (jetzt ein Museumsstück) geht zurück auf die Periode 800-500 vor Christus. Ich lese zur Zeit ein äußerst interessantes und informatives Buch “Why the Dutch are Different” eines Ex-Londoners, der seit Jahren in Rotterdam lebt (Ben Coates) und frische mein Wissen auf über die reiche Geschichte, Kultur und Gepflogenheiten dieses handelsfreudigen und facettenreichen Landes, das bald unser neues Zuhause sein wird und möchte behaupten, das Goldene Zeitalter der Niederlande hat ein Comeback gemacht! Ein Zustrom gut-ausgebildeter REMAINER Arbeitskräfte in Großstädte wie Amsterdam, Eindhoven, Maastricht, Rotterdam und Nijmegen (angeblich die älteste Stadt der Niederlande) ist bereits zu verzeichnen. Diverse internationale Firmen und Banken haben sich schon einen neuen Standort in EU Landen gesucht und es ist zu erwarten, daß weitere folgen und Großbritannien nach BREXIT den Rücken kehren – ohne Zweifel, die multi-kulti Niederlande werden davon profitieren.
Auch wir haben uns entschlossen, unsere Zelte in London abzubrechen – obwohl London sicher trotz BREXIT ein tolle Metropolen bleiben wird. Aber wir beginnen neu mit hunderten von Büchern, einigen Gemälden, Kleidung/Taschen & Schuhen im Gepäck und mit unserem Sprinter 4x4 für unsere zukünftigen Overland Abenteuer gemäß dem Sprichwort: Jeder Abschied ist auch ein Neubeginn…
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hola martine & digby,
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June 2022
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